The following article appeared in the Süddeutsche Zeitung two days after the sensational last day of the 2000/01 Bundesliga season.

Montag, 21.5.2001

Charlies Los

Niemand beneidet Charlie Brown. Er ist unglücklich verliebt in das kleine Mädchen mit den roten Haaren, er sehnt sich nach einem Stück vom Glück, doch ihm bleibt meist nur - das Pech. Der Fußball kennt Charlie Brown, nicht als Trickfigur, sondern als lebendiges Synonym für das Gegenteil von Glück. Als Patron der Leidensgemeinschaft gilt Michael Kutzop, ehedem Werder Bremen. In der Saison '85/86 verwandelte er acht Elfmeter, Strafstoß war seine Stärke. Heute ist Kutzop ein Begriff, weil er den neunten Elfer an den Pfosten schob. Am vorletzten Spieltag, 90. Minute, gegen die Bayern. Hätte Kutzop getroffen, wäre der SV Werder Meister gewesen. Meister wurden die Bayern. Im Mai 2000 hat Michael Ballack erfolgreich um Aufnahme bei den Brownisten gebeten, dank eines Eigentores im Saisonfinale seiner Leverkusener bei Haching. Bayer wurde nicht Meister. Meister wurden die Bayern. Seit Samstag trägt Mathias Schober den Blick von Charlie Brown. Schober, 25, hat zehn Jahre für Schalke Bälle gefangen, so etwas prägt. Im September lieh ihn der Klub nach Hamburg aus, denn er kam nicht vorbei an Oliver Reck. Doch auch beim HSV ist er nur Reserve gewesen; Samstag durfte Schober spielen, weil Hans-Jörg Butt malad ist und sich letzte Woche in Leverkusen Immobilien angesehen hat. Butt geht zu Bayer. "Meine ganze Familie ist für Schalke", hat Schober vor der Ankunft der Bayern erzählt und euphorisiert die Heimat gegrüßt: "Ich mache Schalke zum Meister."

Schober hat dann gut gehalten und einmal sogar Glück gehabt, denn Janckers Tor zählte nicht. Das Pech näherte sich ihm in Minute 94, die es ja eigentlich gar nicht gibt, und vermutlich grinste ihn der Ball frech an, als Ujfalusi hastig den Rückpass spielte. Schober hätte die Kugel auf die Tribüne treten können. Doch er nahm ihn auf: indirekter Freistoß, Andersson, Tor, 1:1, Schalke doch nicht Meister. Meister sind die Bayern. Charlie Brown ist unglücklich, denn das kleine Mädchen mit den königsblauen Haaren wird ihm wohl niemals vergeben. Er hat ein Herz aus Gold, deshalb mag man Charlie Brown. Doch niemand beneidet ihn.

Andreas Burkert